Jahresbericht 2011

2011 war für palliacura eine Stiftung von EXIT Deutsche Schweiz ein Jahr, auf welches der Stiftungsrat gerne zurückblickt.

Am 15. Mai 2011 hatte das Stimmvolk im Kanton Zürich über die von stark religiös geprägten Kreisen eingereichten Zwillingsinitiativen «Nein zum Sterbetourismus im Kanton Zürich» und «Stopp der Suizidhilfe» zu entscheiden. Der Stiftungsrat war einhellig der Überzeugung, dass diesen Initiativen im Interesse der Wahrung des Selbstbestimmungsrechts am Lebensende entschieden entgegen getreten werden musste. Und dies besonders, weil zur gleichen Zeit auf Bundesebene ein vom Bundesrat in die Vernehmlassung gegebener Entwurf für eine äusserst restriktive gesetzliche Regelung über die Tätigkeit von Sterbehilfeorganisationen wie EXIT im Strafgesetzbuch im Raum stand. Würde die Zürcher Abstimmung nicht ein deutliches zweimaliges Nein ergeben, so bestand die Gefahr, dass EXIT unheilbar kranke und leidende Menschen in ihrer letzten Lebenszeit nicht mehr wie bisher würde unterstützen und begleiten können.


Unterstützung des Zürcher Komitees

Der Stiftungsrat beschloss deshalb, das aus namhaften Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens zu bildende Zürcher Komitee «Selbstbestimmung am Lebensende» finanziell zu unterstützen und die Führung des Sekretariates zu übernehmen. Mehrere Organisationen – darunter auch EXIT Deutsche Schweiz – bedachten die Kampagne in der Folge mit namhaften Beiträgen. Der Einsatz der Stiftung hat sich gelohnt, die beiden Initiativen wurden mit rund 80 Prozent Nein-Stimmen abgelehnt. Nach der Abstimmung gab Bundesrätin Simonetta Sommaruga bekannt, dass der Bundesrat nun für die Beibehaltung der geltenden liberalen Regelung über die Suizidhilfe eintrete und fortan die in der Schweiz bisher zu wenig beachtete Betreuung von unheilbar kranken und sterbenden Menschen durch Palliativmedizin und Palliativpflege sowie die Suizidprävention fördern wolle.

Die Förderung von Palliative Care ist seit Jahren der primäre Zweck der Stiftung palliacura. Und die einfühlsame Beratung und persönliche Betreuung von schwer leidenden Patienten durch das Team der Suizidhelferinnen und Suizidhelfer von EXIT hat seit jeher in vielen Fällen suizidpräventive Wirkung. Bundesrätin Simonetta Sommaruga liess bei ihrem Auftritt in der Fernsehsendung «Sternstunde Philosophie» keinen Zweifel daran, dass die wuchtige Verwerfung der beiden Zürcher Initiativen die neue Einsicht des Gesamtbundesrates wesentlich beeinflusst haben musste. Damit hatte die Stiftung das von ihr angestrebte Ziel erreicht.

palliacura
wendete für das Abstimmungskomitee «Selbstbestimmung am Lebensende» CHF 65’000 auf. Zur Bestreitung dieser Kosten wurde der Fonds des Präsidenten eingesetzt. Mit einer am 14. Februar 2011 beschlossenen Reglementsänderung, welcher die Aufsichtsbehörde am 7. April 2011 zustimmte, stellte der Stiftungsrat klar, dass aus diesem Fonds grundsätzlich alle Auslagen bestritten werden können, die auf die Erfüllung des Stiftungszweckes ausgerichtet sind, unheilbar Kranken und Sterbenden ihre letzte Lebenszeit zu erleichtern und ihnen ein selbstbestimmtes Sterben in Würde zu ermöglichen.


Namhafte Unterstützungsbeiträge gesprochen

Eine zweite Reglementsänderung, der das Amt für berufliche Vorsorge und Stiftungsaufsicht ebenfalls zustimmte, betraf den Zinsendienstfonds. In letzter Zeit waren in der Liegenschaft Villa Margaritha, Burgdorf BE, die der Stiftung gehört, in grösserem Umfang Unterhalts- und Renovationskosten zu bestreiten. Es war deshalb angezeigt, die Verwendung der Fonds-Gelder nicht länger auf die Verzinsung von Hypothekardarlehen zu beschränken. Der Stiftungsrat hat festgelegt, dass der Zinsendienstfonds nun auch zur Bestreitung von Kosten eingesetzt werden darf, die mit dem Unterhalt und mit Ersatzanschaffungen für die stiftungseigene(n) Liegenschaft(en) zusammenhängen.

palliacura
wendete im abgelaufenen Jahr für die Weiterbildung von Pflegenden im Bereich Palliative Care und für einen Schmerzpatienten, der sich nach jahrelangem Leiden zu einer Operation entschloss, mit der er den Weg zurück in ein erträgliches Leben zu finden hoffte, insgesamt CHF 23’500 auf. Zudem unterstützte die Stiftung Institutionen, die schwer kranken, leidenden Menschen ein menschenwürdiges Dasein ermöglichen, mit CHF 37‘000. Schliesslich beteiligte sich palliacura mit 20’000 Franken an den Kosten eines Debattenbuches über Sterbehilfe und Selbstbestimmung am Lebensende. Dieses Werk mit Beiträgen namhafter Autoren aus dem In- und Ausland soll aus Anlass des Jubiläums «30 Jahre EXIT Deutsche Schweiz» im April 2012 erscheinen. Peter Kaufmann, Vizepräsident der Stiftung, zeichnet als Mitherausgeber. Er hat das Vorwort verfasst. Stiftungsrat Werner Kriesi ist einer der Autoren, die in diesem Buch ausführlich zu Worte kommen.

Aus der Jahresrechnung 2011 der Stiftung ergibt sich ein Verlust von CHF 35’943.45. Dieser wäre weit grösser ausgefallen, hätten nicht die drei Aufwandpositionen «Kursverluste auf dem Wertschriftenvermögen», «Kursdifferenzen» und «Bank- und Vermögensverwaltungsspesen» im Gesamtbetrag von CHF 171‘930.51 durch die Reduktion der Reserve für Wertschwankungen um CHF 175‘000 auf 65‘000 kompensiert werden können.

Abschliessend möchte ich mich bei allen Stiftungsräten für den grossen Einsatz, den sie im Interesse der Wahrung des Selbstbestimmungsrechts in der Schweiz geleistet haben, ganz herzlich bedanken.


Ernst Haegi
Präsident des Stiftungsrates

2. Februar 2012