Die Stiftung palliacura wurde in den Jahren 1988 / 1989 auf Initiative des damaligen EXIT-Geschäftsführers Pfarrer Rolf Sigg gegründet.
Bei ihrer Gründung hiess palliacura noch Stiftung für Schweizerische EXIT-Hospize: Vorgesehen war damals, dass die Stiftung in der Schweiz nach englischem Vorbild Sterbehospize betreiben werde. Mit diesem Ziel vor Augen wurde damals der Stiftungszweck umschrieben. 1993 wurde in Burgdorf das Sterbehospiz Villa Margaritha eingerichtet, ein weiteres Hospiz sollte in Zürich-Höngg entstehen.
Die Stiftung war dem damaligen EXIT-Geschäftsführer, dem 2018 im Alter von über 100 Jahren verstorbenen Pfarrer Rolf Sigg, ein besonderes Anliegen, das er aus eigenen finanziellen Mitteln förderte. Sie sollte all jenen zahlreichen Menschen - darunter auch vielen Mitgliedern des Vereins EXIT - Hilfestellung leisten, die nicht durch Suizid, beziehungsweise Suizidhilfe, aus dem Leben scheiden möchten, wenn sie sich eines Tages mit einer hoffnungslosen ärztlichen Prognose und nicht mehr zu ertragenden Schmerzen konfrontiert sehen. Diesen Leidenden sollte die Möglichkeit eröffnet werden, ihr Leben bei bestmöglicher Lebensqualität so beenden zu können, wie es ihren Vorstellungen entsprach:
Vor allem wollte die EXIT-Hospiz-Stiftung mit der Schaffung von Sterbehospizen den Anliegen all jener Rechnung tragen, die sich mit dem eigenen Sterben schon in gesunden Tagen auseinandersetzen, eine EXIT-Patientenverfügung errichten und für den Fall, dass die getroffenen Anordnungen aktuell werden sollten, auf deren Umsetzung vertrauen. EXIT wollte mit der Gründung der Stiftung ihren Mitgliedern Gewähr dafür bieten, dass sie ihre Patientenverfügungen auch in eigenen Hospizen würden umsetzen können.
Statt Sterbehospiz: Alzheimerstation
Dieses Vorhaben liess sich in der Folge leider nicht verwirklichen. Ständige Unterbelegung, allzu tiefe Beiträge der Krankenkassen, keine Beiträge des Kantons Bern, hohe Betriebs- und Personalkosten führten in Burgdorf zu Jahresdefiziten von mehreren hunderttausend Franken. Diese hohen Defizite zwangen die Stiftung 1995 zur Schliessung der Villa Margaritha. Ein neutrales Gutachten zeigte nachträglich, dass auch das geplante Sterbehospiz in Zürich-Höngg nie hätte kostendeckend betrieben werden können. Das Projekt wurde deshalb nicht realisiert.
Die Stiftung vermietete deshalb die Burgdorfer Liegenschaft an die Pro Senectute Oberaargau-Emmental, die in Zusammenarbeit mit dem nebenan gelegenen Wohnpark Buchegg die Alzheimerstation Chalet Erika einrichtete. Ein Vierteljahrhundert lang existierte dieses mit bis zu 14 Patienten gleichzeitig belegte Pflegeheim ohne Probleme. Die vielen Menschen in ihrer letzten Lebensphase fühlten sich in den herrschaftlichen Räumen und dem grossen, abgeschlossenen Park wohl. Es waren dann wiederum Auflagen der kantonalen Behörden, die dazu führten, dass der Wohnpark Buchegg eine neue, den kantonalen Ansprüchen genügende Alzheimerstaton errichten liess. Die Villa Margharita musste 2022 verkauft werden. Die neuen Besitzer renovieren das aus dem Jahre 1895 stammende Gebäude und versetzen den Park in den Urzustand. Villa und Park sind denkmalgeschützt.
Neue Ausrichtung und Namensänderung der Stiftung
Der Stiftungsrat entschloss sich nach der Schliessung des Sterbehospizes, bei der Aufsichtsbehörde eine Änderung des Zweckartikels zu beantragen. Der Stiftungszweck wurde offener gefasst. Es wurde der EXIT-Hospiz-Stiftung dadurch möglich, auch nicht stiftungseigene Institutionen und palliative Projekte zu unterstützen, die sich aktiv dafür einsetzen, unheilbar kranken und sterbenden Menschen bis an das Ende ihrer Tage eine im Rahmen der bestehenden Möglichkeiten optimale Lebensqualität zu gewährleisten.
Im Dezember 2006 beschloss der Stiftungsrat, der Aufsichtsbehörde eine Änderung des angestammten Namens der Stiftung und zugleich eine weitere Öffnung des Stiftungszweckes zu beantragen. Er entschied sich für den neuen Stiftungsnamen palliacura. Dies vor allem aus zwei Gründen: Zum einen stand der ursprüngliche Name der Stiftung seit 1995, als die Stiftung den Betrieb ihres Sterbehospizes in Burgdorf einstellte, in offenkundigem Widerspruch zur Realität. Zum andern sollte mit der neuen Namensgebung das primäre Anliegen der Stiftung, die Förderung der Palliativmedizin und Palliativpflege, besonders hervorgehoben werden. Die Aufsichtsbehörde stimmte am 15. August 2007 den beantragten Änderungen der Stiftungsurkunde zu.
Vermehrt politisches und soziales Engagement
Am 15. Mai 2011 hatte das Stimmvolk im Kanton Zürich über die von stark religiös geprägten Kreisen eingereichten Zwillingsinitiativen «Nein zum Sterbetourismus im Kanton Zürich» und «Stopp der Suizidhilfe» zu entscheiden. Der Stiftungsrat war einhellig der Überzeugung, dass diesen Initiativen im Interesse der Wahrung des Selbstbestimmungsrechts am Lebensende entschieden entgegen getreten werden musste. Der Stiftungsrat beschloss deshalb, dass palliacura das aus namhaften Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens zu bildende Zürcher Komitee «Selbstbestimmung am Lebensende» finanziell unterstütze und die Führung des Sekretariates übernehme.
Das Zürcher Stimmvolk lehnte die beiden Initiativen mit rund 80 Prozent Nein-Stimmen ab. Nach der Abstimmung gab Bundesrätin Simonetta Sommaruga bekannt, dass der Bundesrat nun für die Beibehaltung der geltenden liberalen Regelung über die Suizidhilfe eintrete und fortan die in der Schweiz bisher zu wenig beachtete Betreuung von unheilbar kranken und sterbenden Menschen durch Palliativmedizin und -pflege sowie die Suizidprävention fördern wolle.
Mit einer öffentlichen Podiumsdiskussion stellte der Verlag Orell Füssli Anfang Mai 2012 das Debattenbuch «Der organisierte Tod. Sterbehilfe und Selbstbestimmung am Lebensende – Pro und Contra» vor, das dank der finanziellen Unterstützung von palliacura produziert werden konnte. Unter der Leitung des bekannten Publizisten Hannes Britschgi diskutierten im Zürcher Kulturhaus Helferei sechs Autorinnen und Autoren des Buches über das brisante Thema «Darf man den Tod rufen?». Das Debattenbuch wurde ein halbes Jahr nach der Vernissage, am 9. November 2012, in Berlin mit dem renommierten Arthur-Koestler-Sonderpreis ausgezeichnet, laut Würdigung der Jury «weil es so gut die kontroverse Diskussion zum Thema der Freitodhilfe aufzeigt. Es ist erstklassig.»
Ansehnliche palliacura-Preise vergeben
Aus Anlass des 25-Jahr-Jubiläums hat die Stiftung Anfang 2014 in einem Festakt im Kongresshaus Zürich erstmals den palliacura-Preis vergeben. Mit diesem Preis will palliacura künftig in unregelmässigen Abständen Schweizer Persönlichkeiten und Institutionen auszeichnen, die sich im Bereich der Palliativpflege und Palliativmedizin besonders verdient gemacht haben. Den ersten palliacura-Preis in der Höhe von 25'000.- Franken erhielt Vreni Grether, die das Hospiz im Park in Arlesheim 1996 gestiftet hat und sich seither für dessen Erhaltung in ausserordentlicher Weise einsetzt. Ein palliacura-Sonderpreis in der Höhe von 15'000.- Franken ging an die Stiftung Hospiz Zürcher Lighthouse.
Anlässlich der Neuüberarbeitung des 2012 von palliacura intensiv geförderten Buches «Der organisierte Tod» übernahm die Stiftung auch einen Teil der Vernissagekosten für diese Zweitausgabe. Im Zürcher Kulturhaus Helferei wurde im August 2015 eine Podiumsdiskussion durchgeführt mit der deutschen alt Bundesministerin und Grünen-Bundestagsabgeordneten Renate Künast, dem ehemaligen Hamburger Senatsjustizdirektor und Sterbehilfepionier Roger Kusch, dem Zürcher FDP-Ständerat und Medizinprofessor Felix Gutzwiller und dem ehemaligen leitenden Zürcher Oberstaatsanwalt Andreas Brunner zum Thema «Dem Sterben nachhelfen – Wer soll das dürfen?».
Zum 30-Jahr-Jubiläum vergab die Stiftung 2019 erneut zwei palliacura-Preise: Der Stiftungsrat zeichnete zum einen Dr.med. Andreas Weber aus, der als Leiter des Palliative-Care-Teams am GZO Spital in Wetzikon wirkt. Als einer der ersten in der Schweiz richtete er ein mobiles Palliative Care Team ein, das rund um die Uhr schwerkranke Menschen betreut. Der zweite palliacura-Preis ging an eine neue, gesamtschweizerische Institution, den Dachverband Hospize Schweiz.
Neuer Zweckartikel, neue Projekte
2016 überarbeitete und präzisierte der Stiftungsrat palliacura den Zweckartikel erneut: Es sollten auch allfällige innovative neue Projektideen, welche (noch) nicht einer Institution angeschlossen sind und/oder vom Gemeinwesen mitfinanziert werden, mit Anschubfinanzierungen oder mit gezielten Beiträgen gefördert werden können. Des Weiteren ist der Stiftungsrat überzeugt, dass die breitere Öffentlichkeit kontinuierlich, fachkundig und menschlich für palliative Fragen sowie weitere Aspekte der Themen Krankheit, Alter, Sterben und Tod informiert und für diese sensibilisiert werden soll – mittels Medien, Veranstaltungen, Literatur und anderem. Der Stiftungsrat möchte derartige Projekte ebenfalls anregen, mittragen oder mitgestalten können; dies aus der Überzeugung heraus, dass auch sorgfältige Öffentlichkeitsarbeit mittelbar zur Verbesserung der letzten Lebensphase beitragen wird. Die Stiftungsaufsicht des Kantons Zürich genehmigte diese Änderung am 14. Juni 2016.
Grössere Projekte, die palliacura verwirklichen half, fallen in diesen Bereich:
Neue Stiftungsurkunde: Unabhängig von EXIT
Ende Oktober 2023 wählte der EXIT-Vorstand zum letzten Mal den palliacura-Stiftungsrat für die Periode 2024 bis 2026. Durch eine Änderung in der Stiftungsurkunde wird sich künftig der Stiftungsrat selbst erneuern.
Zwei wichtige Gründe führten zur Neuausrichtung der Stiftung palliacura. Palliative Care hat in vielen Kantonen der Schweiz mittlerweile einen hohen Stellenwert erhalten – nicht zuletzt auch wegen der stetigen Anstösse finanzieller und ideeller Art durch unsere Stiftung. Angesichts dieser positiven Situation will sich EXIT künftig strategisch einzig auf ihre Kernaufgaben konzentrieren, wie EXIT-Präsidentin Schafroth im Juni 2023 an der Vereinsversammlung festgestellt hat.
Der Zeitpunkt für die Trennung ist insofern auch günstig, weil wegen geplanten Anpassungen der Rechnungslegung der Stifterin das Finanzwesen von palliacura ab 2024 anders zu führen und jährlich eine vollständige (sogenannt: ordentliche) Revision nötig wäre. Die Jahresrechnung der Stiftung wäre zudem Teil der konsolidierten Jahresrechnung der Stifterin EXIT geworden. Gemeinsam entschlossen sich EXIT und palliacura, diese permanenten Zusatzkosten nicht zu generieren. Rein juristisch hat sich palliacura zwar von der Stifterin EXIT getrennt, an der ethischen Ausrichtung der Stiftungstätigkeit wird sich jedoch nichts ändern.
PETER KAUFMANN 2016 / 2020 / 2021 / 2022 / 2023