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«Der Film macht Mut, über das Sterben zu reden»

Das eindrückliche Dokumentarfilmessay «Zu Ende leben» hat im Herbst 2014 am Zurich Film Festival den begehrten Publikumspreis erhalten. Der von palliacura unterstützte Film startete im März 2015 in den Schweizer Kinos und ist auch als DVD erhältlich. Dazu einige Fragen an die Filmemacherin Rebecca Panian.


Herzliche Gratulation. Sie haben am Zurich Film Festival für Ihren Dokumentarfilm einen Preis erhalten, der meist nur heiteren Spielfilmen zugesprochen wird. Wie erklären Sie sich Ihren Erfolg?

Rebecca Panian:
Nun ja, der Film ist ja auch heiter. Das Publikum lacht an vielen Stellen – vermutlich wider Erwarten bei diesem Thema. Nach der Vorstellung hat man gemerkt, dass die Leute nicht deprimiert aus dem Kino gekommen sind, sondern im Gegenteil ermutigt, sich ihre eigenen Gedanken zu Sterben und Tod zu machen. Mein Film «Zu Ende leben» soll Mut machen, über diese Themen zu sprechen und offenbar schafft er das, was mich ungemein freut. Und das gibt mir Hoffnung, dass der Tod, der immer noch ein Tabuthema ist, wieder ins Leben zurückgeholt wird.

Haken wir nach: Warum beschäftigen Sie sich als Mensch, der mitten im Leben steht, mit schweren Themen wie Sterben und Tod?

Panian:
Das ist dahingehend eine unsinnige Frage, da man ja nicht weiss, wann man stirbt. Es gibt keine Garantie, dass ich 80 werde. Daher finde ich es das einzig Sinnvolle, sich erst recht «mitten im Leben» zu fragen, was denn eigentlich für einen selbst Leben bedeutet. Was ist mir wichtig? Ist es wirklich die tolle Karriere oder vielleicht doch Familie? Ich fand es höchst befreiend, mich durch die Krankheit meines Vaters dem Leben gegenüber in Demut zu üben und zu akzeptieren, dass man nicht ewig währt und keinen Plan hat, was das Leben mit einem vorhat. So paradox es klingen mag: seit ich den Tod wieder in mein Leben gelassen habe, bin ich viel entspannter.

Wie ist demnach Ihr persönliches Verhältnis zum Sterben und zum Tod?

Panian:
Das Sterben und der Tod meines Vaters haben mich sehr viel gelehrt – dies war schliesslich auch der Anstoss, diesen Film zu realisieren und das bereits erschienene Buch «Zu Ende denken» (Verlag Wörterseh) mit meiner Kollegin Elena Ibello zu schreiben Eine wertvolle Grunderfahrung, die ich bei den Dreharbeiten gemacht habe: Es ist egal, an was man glaubt, was zum Beispiel nach dem Tod kommt. Die Hauptsache ist, es hilft einem selbst weiter, in irgendeiner Form. Weil niemand weiss, wie es wirklich ist.

«Zu Ende leben» hat drei Handlungsstränge. Zum einen verfolgen Sie das Leben von Thomas Niessl, 51, der einen unheilbaren Gehirntumor und nur noch kurze Zeit zu leben hat. Wie war Ihre Zusammenarbeit mit ihm?

Panian:
Wir haben uns auf Anhieb super verstanden, und es hat für uns beide gestimmt. Meist waren die Dreharbeiten überhaupt nicht schwierig. Thomas verdrängt seine tödliche Krankheit oft so gut dies geht, aber trotzdem redet er offen darüber, wenn man ihn danach fragt. Er hat schon mehrfach gesagt, dass ihm unser gemeinsames Projekt in seiner ganzen Situation gut getan hat. Seine Familie empfindet das genauso, was mich sehr freut.

In einem zweiten, realen und doch symbolisch zu verstehenden Handlungsstrang wird ein Baum gefällt und der Schreiner Christian fertigt nach und nach einen Gegenstand
was, möchte ich nicht verraten. Woher stammte diese Idee?

Panian:
Was ich ganz sicher nicht wollte, waren symbolische Bilder zu zeigen wie langsame Kameraschwenks über Grabsteine, plätscherndes Wasser oder düstere Landschaften. Ein Kollege vom Fernsehen hatte dann die richtige Idee, eine ganz konkrete Handwerksarbeit aus dem täglichen Leben zu dokumentieren. So sind die Schreiner-Filmsequenzen entstanden, die dem Publikum Raum für eigene Gedanken geben sollen.

Viel Raum nehmen auch die kurzen Statements von Prominenten und weniger bekannten Leuten ein, die sich zum Sterben und zum Tod äussern. Wie trafen Sie diese Auswahl?

Panian:
Es war eine völlig persönliche Auswahl. Wir haben uns gefragt: Wer interessiert uns? Schliesslich ist es unsere Lebenszeit, in der wir diese Interviews führen werden. 48 Persönlichkeiten, junge und ältere Menschen sind im Buch vertreten, zwölf davon sind im Film zu sehen und zu hören.

Gab es Menschen, die auf keinen Fall mitmachen wollten?

R.P.: Wir sind erstaunlicherweise kaum auf Ablehnung gestossen. Nur zwei, die wir anfragten, haben aus sehr persönlichen Gründen abgesagt. Die Interviewausschnitte zeigen vor allem exemplarisch, wie unterschiedlich die Gedanken zu Sterben und Tod sind, wie sehr sich alle Menschen ihre eigenen Vorstellungen machen und dann daraus ihre persönliche Sicht aufs Leben ableiten. Das war uns wichtig und hat uns selbst ungemein interessiert.

Mehr zum Film: www.zuendeleben.ch


Rebecca Panin



Rebecca Panian
arbeitete nach einem Studium in Journalismus und Organisationskommunikation als freie TV-Redaktorin und Realisatorin für das Schweizer Fernsehen. Davor war sie unter anderem als Grafikerin und als TV-Redaktorin für Endemol Deutschland (Köln) und S&L Medien (München) tätig. An der Zürcher Hochschule der Künste (ZHdK) absolviert sie den Master in Spielfilmregie unter der Leitung von Markus Imboden.

PETER KAUFMANN