Beatrice tschanz w800

​Im Hintergrund Einsatz für Sterbehilfe und Palliativmedizin

Die Kommunikatorin Beatrice Tschanz setzt sich seit Jahren für Sterbehilfe und Palliativmedizin ein, ohne dies an die grosse Glocke zu hängen.

Ihr Vater war ein dynamischer Mensch, ein Unternehmer. Seit acht Wochen lag er auf der Intensivstation. Eines Tages rief er seine Tochter ans Spitalbett. Geh, sagte er, geh an mein Pult, öffne die Geheimschublade und bring mir meinen Revolver. Die junge Beatrice Tschanz war völlig schockiert. Weder wusste sie von der Waffe, noch hatte sie sich zuvor mit dem Tod auseinandergesetzt. Ein Arzt beruhigte sie. Ein Revolver sei nicht nötig, er könne helfen.

Heute blickt Beatrice Tschanz auf eine lange Karriere als öffentliche Person und Kommunikatorin zurück. Sie war Leiterin Information und PR bei Ringier, Leiterin Kommunikation bei Jelmoli, Kommunikationschefin der SAirGroup – sie stand während des Halifax-Dramas Rede und Antwort –, Verwaltungsrätin bei Valora oder persönliche Beraterin für den früheren Bundesrat Moritz Leuenberger. Das Erlebnis mit ihrem Vater jedoch hatte die Zürcherin derart geprägt, dass sie als junger Mensch der noch jungen Organisation EXIT beitrat.

«Ich will nicht missionieren»

Das Leben, höchstes Gut, und das Sterben gehören zum Leben. Dessen wurde Beatrice Tschanz gewahr, als sie im Jahr 2000 ihren ersten Ehemann über ein halbes Jahr in den Tod begleitete. Heute setzt sich die 67-Jährige etwa mit einer Inseratenkampagne für EXIT ein, aber auch mit einer Veranstaltung in Winterthur für die Palliativmedizin. Dabei ihren Namen zu exponieren, vermeidet sie bewusst: «Ich möchte nicht missionieren.» Genauso wenig wolle sie in der Öffentlichkeit als Aushängeschild von EXIT wahrgenommen werden, obwohl ihr die Anliegen des Vereins wichtig seien.

Dass sie als Podiumsgast am Publikumstag des Weltkongresses der Sterbehilfeorganisationen  in Zürich aufgetreten ist, war daher nicht selbstverständlich. Schon oft wurde sie als Referentin für ähnliche Anlässe angefragt, immer lehnte sie dankend ab. «Ich bin eigentlich schon zu lange eine öffentliche Person», sagt Tschanz. Den Weltkongress aber fand sie «derart sensationell» organisiert, dass sie unmöglich absagen konnte.

«Da werde ich sauer»

Obwohl sie sich für die Sterbehilfe stark macht, hat sie aber auch Achtung vor denjenigen, die sich gegen diese Art des Sterbens aussprechen. Was sie hingegen stört, sind die Debatten darüber, wie Palliative Care finanziert werden soll. «In dieser Sache darf es keine Kostenfrage geben.» Sonst führe dies in eine gefährlich falsche Richtung, wenn bei älteren Menschen mit einem Male die Frage aufkomme: Lohnt sich hier eine Behandlung überhaupt noch – finanziell? «Bei solchen Diskussionen werde ich extrem sauer.»

Menschen sollen sich rechtzeitig mit ihrem Ableben und den daraus entstehenden Folgen beschäftigen, das sieht auch Tschanz so. Jedoch gibt sie zu bedenken, dass dies sehr schwierig sei. Sich mit dem eigenen Tod auseinandersetzen, solange man noch gesund ist. «Ich denke, dass wir erst wirklich wissen, wie wir sterben möchten, wenn es soweit ist.» Dass manche Ärzte Mühe haben, den persönlichen Willen der Patienten zu akzeptieren, kann Beatrice Tschanz verstehen: «Denn ihr ganzes Wirken ist ausgelegt, Leben zu retten. Am allermeisten fürchten sie den Tod.»

JULIAN PERRENOUD
August 2012

Bild:
Beatrice Tschanz