Was ist Advance Care Planning (ACP)?
Wer palliativ gepflegt wird, soll mitbestimmen können. Bei Entscheidungen für therapeutische Ziele sowie betreffend vorgeschlagene Behandlungen dürfen und sollen kranke, aber urteilsfähige Menschen mitreden. Grundlage aller Entscheide ist ein ausführliches Gespräch mit dem Hausarzt, wenn man weiterhin zu Hause bleiben kann, oder mit dem behandelnden Arzt im Heim oder Spital. An diesem ACP-Gespräch über Krankheit, Sterben und Tod nehmen oft mehrere Personen des Pflegeteams und wenn nötig und erwünscht auch Angehörige teil.
Was wird bei einem ACP-Gespräch besprochen?
Die individuellen Werte, Erwartungen und Wünsche der Patienten müssen erkannt, formuliert und ernst genommen werden. Gemeinsam werden Behandlungsziele für die restliche Zeit des Daseins besprochen, sich möglicherweise ergebende Krisensituationen erörtert und Massnahmen zur Bewältigung dieser Krisen in einer schriftlichen ACP-Dokumentation festgelegt: eine Art Drehbuch für künftige Notfallszenarien. Diese Grundlagen sind für das Behandlungsteam wichtig und verpflichtend. Im digitalen Zeitalter sind sie auch – unter Berücksichtigung des Datenschutzes – unabhängig von Ort und Zeit überall mit ein wenig Geschick auffindbar und einsehbar. Weil sie auch den Angehörigen bekannt sind, können diese den mutmasslichen Willen der betroffenen Person auch umsetzen, wenn diese urteilsunfähig wird.
Was passiert, wenn sich Änderungen im Krankheitsbild ergeben, die man nicht erwartet hat?
Advance Care Planning ist gewissermassen ein sich stetig weiterentwickelnder Prozess: Ergeben sich neue Gesichtspunkte im Verlauf der Krankheit, kann der urteilsfähige Mensch jederzeit gemeinsam mit dem Arzt / den Ärzten und den Pflegenden, aber auch mit seinem sozialen Umfeld neue Ziele und andere Behandlungsmethoden festlegen. Der selbstbestimmte, kranke Mensch kann aber auch auf früher vorgeschlagene und akzeptierte Therapien verzichten oder Behandlungen abbrechen, falls es ihm nicht mehr sinnvoll oder ertragbar scheint.
Ist ACP für jedermann geeignet?
Grundsätzlich ist ACP für jeden urteilsfähigen Menschen mit schwerer Krankheit geeignet. Einige möchten sich aber nicht damit befassen. Studien in Genfer Palliativstationen haben ergeben, dass ein Fünftel aller Menschen am Lebensende grundsätzlich nicht über ihre Situation in der noch verbleibenden Zeit sprechen möchten. Andere Patienten verlassen sich blindlings auf die Vorschläge und Anordnungen ihres Vertrauensarztes, der sie ja «gut kennt und schon die richtige Entscheidung treffen wird.» Solche Haltungen sind im Sinne der «Selbstbestimmung auch am Lebensende» zu respektieren. Allerdings erschweren sie oft die Fürsorge der Angehörigen und die Arbeit der Palliative-Care-Teams, die lieber klare Leitplanken für ihre Tätigkeiten möchten und die Gewissheit, im Sinne der Patienten zu wirken.
Braucht es wegen Advance Care Planning keine Patientenverfügung mehr?
Eine Patientenverfügung (PV) macht Sinn für den überwiegenden Teil der gesunden Menschen: Sollte beispielsweise künftig durch einen Unfall oder eine Hirnblutung unerwartet eine Urteilsunfähigkeit eintreten, können sie bereits in gesunden Tagen in der PV festlegen, dass im Falle einer schlechten Prognose keine lebenserhaltenden Massnahmen ergriffen werden sollen.
ACP hingegen ersetzt die Patientenverfügung nicht, sondern ist ein Instrument für Menschen, die an einer fortschreitenden und letzlich tödlich verlaufenden Erkrankung leiden. Vorausschauend lassen sich für schwierige Situationen, die im Krankheitsverlauf typischerweise nur einmal auftreten, in der Advance Care Planning diejenigen Massnahmen festhalten, die ergriffen werden sollen oder eben nicht: Soll z.B. bei einer fortschreitenden neurologischen Erkrankung beim zunehmenden Versagen der Atemmuskulatur eine künstliche Beatmung durchgeführt oder unter palliativer Sedierung das Sterben zugelassen werden?
PETER KAUFMANN
Artikel aus EXIT Info 1.19